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Und plötzlich ist meine Zeit in Indien zu Ende. Ein Durcheinander an Gefühlen – Trauer und Wehmut neben Freude und Neugier auf Neues. Die Zeit war so reich, soviel Erleben, Sehen, Fühlen:

Aufregendes: die Zahnwurzelbehandlung. Der Behandlungsraum mit zwei Patientenstühlen, wartenden Patienten und Angehörigen – alle schauen zu. Irgendwie vertrauenserweckend: würde er mir weh tun, wären die nächsten Patienten vertrieben – oder würden sie eher spöttisch über mich schmunzeln? Alles ist gut gegangen, der Zahn ist noch da und die Schmerzen weg.
Skurriles: die Pediküre. Zwei Mädchen reiben mir für 20min Creme in die Füße – mit viel Bestaunen, Fragen, Lachen. Der Salon im Dorf ist aufs Threading (Augenbrauen zupfen mit zwei Fäden) spezialisiert, ich bin die erste nicht-einheimische Kundin und Pediküre offensichtlich selten nachgefragt – würde es auch nicht unbedingt Pediküre nennen, aber lustig war es.
Schlimmes: die Gewalt. Der Tag an dem Sudha von ihrem Ehemann geschlagen wird, die Polizei zwar kommt, aber das ganze Dorf hinter dem Ehemann steht. Da werden die patriarchalischen (und archaischen) Dorfstrukturen so richtig deutlich.
Herzzerreißendes: die Zahnbürste. Wir verteilen Zahnbürsten und Zahnpasta an die Kinder, darauf die 11-jährige Nadiya: „Das ist meine erste eigene ungebrauchte Zahnbürste.“
Unangenehmes: das Spucken. Nach meinem Gefühl spucken alle und das dauernd, völlig normal – aber Naseputzen finden Menschen in Indien ekelig.
Unerwartetes: das Tanzen. Im Winter mit den Bauarbeitern im Nebel am Feuer hocken, ihr (erstaunlich leckeres) Essen teilen, dabei viel Lachen und vor allem Tanzen – perfekt um die Kälte zu vertreiben.
Schönes: die Schulbücher. Der Tag an dem ich den Kindern ihre ersten, eigenen, richtigen Englisch-Arbeitsbücher geben kann (danke Kati!). Sie sehen mich mit strahlenden Augen an und können es kaum abwarten, all die Aufgaben zu lösen. Mein Highlight!
Bescheidenheit: der Abschied. Wenn mir einer meiner Schüler, Mintu, am letzten Tag seinen ganzen Stolz, die neue Armbanduhr schenken möchte. So ziemlich das Einzige, was er besitzt und er möchte sie mir geben, einfach so.
Lehrreiches: Meine Selbstverständlichkeiten und Privilegien NOCH mehr zu schätzen: nicht nur unseren westlichen Lebensstandard, sondern vor allem auch unsere unglaubliche Freiheit – unsere Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben führen zu dürfen. Oft frage ich mich, sind wir uns dieser Freiheit bewusst und leben sie auch tatsächlich?

Was bleibt? Was war das Wichtigste für mich? Ganz klar, die Kinder, immer wieder die Kinder – Ihr Lachen, ihre Wärme, ihre Wissbegierde. Als sie nach ein paar Monaten anfangen, selbstständiger zu denken, zu diskutieren, zu akzeptieren, dass Fehlermachen auch etwas Positives ist – wird mir ganz warm ums Herz.
Und ein Teil meines Herzens bleibt hier, bei Ihnen und der andere Teil? Der ist voller Liebe und Dankbarkeit, dass ich diese Kinder eine Zeitlang begleiten durfte.


And suddenly my time in India comes to an end. A jumble of feelings – sorrow and melancholy alongside joy and curiosity about the new. The time was so rich, so much to experience, see, feel: Something

Exciting: the root canal treatment. The treatment room with two patient chairs, waiting patients and relatives – everyone is watching. Sort of reassuring: if he would hurt me, the next patients would be driven away – or would they just smile at me mockingly? It all went well, the tooth is still there and the pain gone.
Droll: the pedicure. Two girls are rubbing cream into my feed for 20min – with a lot of wondering, questioning, laughing. The salon in the village is specialised on threading (plucking eyebrows with two threads), I’m the first non-local customer and pedicures are seldom asked for – I wouldn’t call it pedicure anyway, but is was a lot of fun.
Bad: the violence. The day Sudha was beaten by her husband, whilst the police does arrive, the whole village is backing up the husband. Here the patriarchal (and archaic) structures of the village become very evident.
Heart-breaking: the tooth brush. We give away tooth brushes and tooth paste to the kids, hereon the 11-year old Nadiya: „This is my first own unused toothbrush.“
Unpleasant: the spitting. To my feeling everybody is spitting all the time, totally normal – but blowing your nose is disgusting for people in India.
Unexpected: the dancing. During winter sitting around the fire in the fog with the workers, sharing their (surprisingly tasty) food, with a lot of laughing and especially dancing – perfect to fight the cold.
Beautiful: the school books. The day I could give the kids their first, own, real English working books (thank you
Kati!). They look at me with bright eyes and can’t wait to work on all the tasks. My highlight!
Humbling: the good-bye. When on the last day one of my students, Mintu, wants to give me his pride and joy, the new watch. Pretty much the only thing he owns and he wants to give it to me, just like that.
Educational: to value my certainties and privileges EVEN more: not only our western standard of living, but especially our incredible freedom – our freedom that allows us to live a self-determined life. Often I ask myself, are we aware of this freedom and do we actually live it?

What remains? What was most important for me? For sure, the kids, always the kids – their laughing, their warmth, their curiosity. When, after a few months, they start to think more for themselves, to discuss, to accept that making mistakes can also be positive – it warms my heart.
And a part of my heart stays here, with them and the other part? Is full of love and thankfulness that I could accompany these kids for a while.